Menschen neigen gemeinhin zur Vereinfachung. Um Dinge leichter
abspeichern zu können, werden sie gern in Schubladen gesteckt. Das gilt
auch für die Beurteilung anderer Menschen - am liebsten haben wir es mit
„Stereotypen" zu tun, also dem Zustand, dass sich alle Menschen klar
bestimmten Kategorien zuordnen lassen. Der Begriff ist alles
andere als taufrisch, er stammt aus dem Buch „die öffentliche Meinung"
des Medienforschers Walter Lippmann aus dem Jahr 1922. Doch ist die
Bezeichnung nach fast 100 Jahren gebräuchlicher denn je.
Soweit
die Theorie. In der Praxis zeigt sich aber gerade in jüngster Zeit, wie
kurzsichtig und falsch viele Stereotype sind und wie schnell sie uns ein
völlig falsches Bild der Realität vermitteln. Beispiel
„Kreativität und Innovation". Hier zerfällt das Bild der Gesellschaft in
zwei Teile: Junge Arbeitnehmer gelten als innovativ, mutig, motiviert
und kreativ. Die jungen Wilden sind es, die Innovation vorantreiben. Alte
Arbeitnehmer stehen dagegen fast ausschließlich für das Gegenteil. Sie
sind beharrlich, vorsichtig, skeptisch. Sie bringen nichts Neues mehr
hervor und sind veränderungsresistent.
Zugegeben: Wer jemals
seinen Kindern beim Entdecken eines Smartphones oder Tablets zugesehen
hat, der weiß, dass die Geschwindigkeit unglaublich ist, mit der Kinder
und Jugendliche gerade neue Technik beherrschen. Aber das ist
nicht Innovationskraft, sondern schlicht die Neugierde als große
menschliche Triebfeder. Und die ist bei Kindern sehr ausgeprägt, wird
uns jedoch in der westlichen Sozialisation, also beim Erwachsenwerden,
schlichtweg abtrainiert.
Innovationskraft und Inspiration sind kein Privileg der JugendInnovationskraft
und Inspiration hingegen sind mitnichten ein Privileg der Jugend. Im
Gegenteil: In den seltensten Fällen sind Neuerungen und tolle
Erfindungen „vom Himmel gefallen", sondern vielmehr das Ergebnis von
Erfahrung und Beobachtung und damit von jahrelanger Vorarbeit.
Das
ist auch der Grund, warum viele der wichtigsten Innovationen der
Geschichte auf Menschen in hohem Alter zurück gehen. August Fischer
erfand 1932 den Klebstoff Uhu. Da war er bereits 64 Jahre. Marie Curie
zählte 62 Jahre, als sie die Radioaktivität entdeckte. Johannes
Gutenberg erfand mit 50 Jahren im 15. Jahrhundert den Buchdruck mit
beweglichen Lettern - eine der wichtigsten Entwicklungen der
Menschheitsgeschichte.
Gleiches gilt für Gründer und
Neuunternehmer: Jeder dritte Gründer ist über 45, viele sind älter.
Charles Flint hat IBM, eines der größten Unternehmen der Welt, sogar
erst mit 61 Jahren gegründet. In vielen anderen Kulturen werden
alternde Menschen aufgrund ihres Wissens und ihrer Erfahrung mit Achtung
geehrt und zu vielen Dingen gefragt und hinzugezogen. In unserer
Gesellschaft hat sich das Bild der Alten und auch der Umgang mit ihnen
in den vergangenen 40 Jahren radikal gewandelt - zum Nachteil für alle.
Denn
dadurch, dass die Alten als unkreativ abgestempelt und außen vor
gelassen werden, geht unserer Gesellschaft ein wichtiger Teil ihrer
Innovationskraft verloren. Umdenken ist gefragt bei „veralteten"
Stereotypen: Wer die Älteren falsch und voreilig abstempelt, der
verschenkt Wissenspotenziale, Kreativität und entscheidende
Innovationskraft.
URL:
http://www.huffingtonpost.de/marion-kopmann/innovationskraft-und-inspiration-sind-kein-privileg-der-jugend_b_6211030.html